Lauter Schwergewichte

Das Bayerische Staatsballett stellte im Münchner Prinzregententheater die letzte Spielzeit unter Ivan Liška vor

Muenchner Merkur – 

Foto: Charles Tandy – John Neumeiers „Illusionen – wie Schwanensee“ (hier Ekaterina Petina als Odette) nimmt das Bayerische Staatsballett am 2. Februar 2016 wieder auf.

„Vorhang auf – aus Leidenschaft!“Besser konnte das Bayerische Staatsballett nicht für seine beginnende Saison werben als mit dieser Matinee irgendwo zwischen seiner pädagogischen „Ballett Extra“-Reihe und einem Galaähnlichen Event. Das Publikum strömte denn auch neugierig ins Münchner Prinzregententheater, um vorzuschnuppern, was es sich demnächst im Nationaltheater ansehen möchte. Und das könnte heuer mächtig viel sein, denn Ivan Lisˇka will in seiner letzten Spielzeit als Staatsballettchef so gut wie alle Schätze seines zwischen Tradition und zeitgenössischem Aufbruch farbigen Repertoires funkeln lassen.

Vorab gab Ballettmeister Thomas Mayr ein effizient aufwärmendes Stangen-Exercice, das Gelegenheit bot, gebogenen Fußspann, hohe Beine und elegant geführte Arme en detail zu beobachten. Die Truppe sieht gut trainiert aus. Den Reigen der Ballett-Ausschnitte – begleitet zum Teil von den Pianisten Maria Babanina und Simon Murray – eröffnete ein Pas de deux aus dem Erstlingserfolg „Jardi Tancat“(1983) des aktuellen Staatsballett-Berlin-Chefs Nacho Duato. In seinem fließenden, fein phrasierten Modern-Dance-Stil fühlen sich Isidora Markovic´ und Marten Baum von der Junior Company sichtlich zuhause.

Es folgten Nummern aus den Petipa-Klassikern „Le Corsaire“, „La Bayadère“und dem von Alexei Ratmansky rekonstruierten „Paquita“. Das neoklassische Handlungsballett ist diese Spielzeit vertreten durch John Crankos „Onegin“, John Neumeiers „Kameliendame“und sein „Illusionen – wie Schwanensee“; die abstrakte und semierzählerische Neoklassik durch George Balanchines „Sinfonie in C“, Leonide Massines „Choreartium“, Jerome Robbins’ „In the Night“und Frederick Ashtons „Birthday Offering“zu Alexander Glasunows „Ruses d’ Amour“. Der daraus getanzte Pas de deux ist auch am 19. Oktober in einer Gala im Münchner Gasteig zum 150. Geburtstag des Komponisten zu sehen, die vollständige Choreografie dann in der Ballettwochen-TerpsichoreGala (7. April 2016). Die, so versprochen, soll als Widmung an den scheidenden Ballettchef viele besondere Gala-Bonbons offerieren.

Ivan Lisˇka, Urlaubs-erholt, erwies sich als entspannter Moderator. Mit historischen Einordnungen assistierten ihm seine Stellvertreter Wolfgang Oberender und Bettina Wagner-Bergelt, die unter anderem auf Premieren verwies, von denen noch keine Kostprobe zur Verfügung stand. So bekommt das Staatsballett mit „Für die Kinder von gestern, heute und morgen“(2002) als erstes deutsches Ensemble ein Werk der Tanz- theater-Legende Bausch.

In der Kreation „The Passenger“rückt Choreograf Simone Sandroni das gerade hochaktuelle Thema „ältere Tänzer“in den Mittelpunkt. Seine Protagonisten sind Ballettchef Ivan Lisˇka höchstpersönlich, Ex-Solistin und Ballettmeisterin Judith Turos und Charakterdarsteller Peter Jolesch. Beide Werke dann in der Ballettwoche (3. bis 19. April 2016). Insgesamt also

Pina eine Schwergewichtssaison. Dass manches noch im Probenstadium war, darf sein – lehrt einen zudem, in der eigentlichen Vorstellung die Entwicklung, den Feinschliff zu erkennen. Bei dreizehn (!) Nummern die Tänzer zu würdigen, ist unmöglich. Stellvertretend genannt seien: Adam Zvonař, der zuverlässig-strahlend drei Partien absolvierte; Ekaterina Petina, ein kühl abstrahierendes perfektes Körper-Instrument für Richard Siegals faszinierendes „In a Landscape“, in dem er die postmoderne Neoklassik seines Mentors William Forsythe in exotisch bizarre Formen weitergetrieben hat. Katherina Markowskaya, bisher vor allem als Brio-Technikerin aufgefallen, begibt sich mit dem Solo aus Mary Wigmans „Le Sacre du Printemps“von 1957 mit voll eingesetzter, scharf konturierter Körperlichkeit auf das diffizile Terrain des uns schon etwas fremden Ausdruckstanzes.

Die Französin Séverine Ferrolier, nach sieben Jahren in Uwe Scholzens Leipziger Ballett 2004 nach München gewechselt, schätzt man schon lange als lyrische Tänzerin mit außergewöhnlich musikalisch fließenden Armen. Jetzt jedoch, in ihrem Solo aus Massines frühem neoklassischem „Choreartium“(1933), hebt sie ab auf eine andere Ebene, wo die Kunst des Tanzens beginnt. Dafür allein hat sich dieser zweieinhalbstündige pausenlose Vormittag gelohnt. Das nächste Mal aber bitte doch mit einer kleinen Pause! Der Freistaat Bayern hat Polen die musikalischen Rechte für das Lied „Rote Mohnblumen auf Monte Cassino“überlassen. Damit komme man einer Bitte der polnischen Seite nach, erklärte der bayerische Finanz-Staatssekretär Albert Füracker. Das Lied gilt in Polen als nationales Kulturgut. Es erinnert an die Eroberung der strategisch wichtigen Benediktinerabtei Monte Cassino in Italien durch alliierte Truppen im Mai 1944. Dabei starben rund 1000 polnische Soldaten. Der Text von „Czerwone maki na Monte Cassino“stammt von Feliks Konarski, die Melodie schuf der polnisch-jüdische Komponist Alfred Schütz (1910–1999), der 1944 bei Monte Cassino stationiert war. Die musikalischen Urheberrechte waren auf Bayern übergegangen, da Schütz und seine Frau nach dem Zweiten Weltkrieg lange in München lebten und ohne Erben starben. Der aus Bulgarien stammende Künstler Christo zeigt erstmals seine Werke in der Heimat. Unter dem Titel „Christo und JeanneClaude: Grafiken und Objekte“sind in der Kunstgalerie der Hauptstadt Sofia Grafiken und Fotos der Verhüllungs-Projekte des Paares zu sehen.

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